Es war nur eine Frage der Zeit: Southpark hat sich Facebook vorgeknöpft. Und wie schon so oft trifft die Analyse der kanadischen Trickfilmer den Nerv der Sache. Worum geht’s? Die Episode mit dem Titel „You have 0 friends“ dreht sich um die Erfahrungen und Nöte von Stan, der nicht bei Facebook ist. Und dort auch nicht sein will. Doch eines Tages ist Schluss mit der splendid isolation. Seine Freunde überraschen ihn mit der Nachricht – surprise! –, dass sie einen Facebook-Account für ihn eingerichtet haben. Damit ändert sich für Stan mit einem Schlag alles. Der „Status“ seiner Beziehungen zu Freunden, zur Familie, zu seiner Freundin verändert sich von heute auf morgen. Es beginnt eine Odyssee, in der Stan eine Reihe von seltsamen Begegnungen und Erfahrungen macht, in der er mit den fremden Mächten, den Profilen, die das „Café World“ beherrschen, zu kämpfen hat und die ihn letztlich in seine frühere offline-Existenz zurückführen wird.

Diese virtuelle Neuauflage der klassischen Reise durch die Unterwelt ist für die Macher von Southpark natürlich Anlass, genüsslich die Macken und Zwänge der Facebook-Community auf’s Korn zu nehmen. Sei es der Kampf um soziale Wertschätzung, der in der „friends“-Währung ausgetragen börsenähnliche (d.h. spekulative) Dimensionen annimmt, oder die infantilen Rituale der Interaktion (pokethumbs uppresents etc.) und die damit verbundenen kindlichen Nöte – Southpark legt mit scharfem Blick die Muster frei, nach denen das soziale Netzwerk gestrickt ist. Wie jede Satire arbeitet auch Southpark mit Übertreibungen. Aber Übertreibung ist ja nicht nur Verzerrung, sie macht auch sichtbar. Was Adorno von der Psychoanalyse sagte, lässt sich daher gut auf Southpark übertragen: hier ist nichts wahr ausser den Übertreibungen.

Von diesen Überzeichnungen scheinen mir zwei der besonderen Betrachtung wert: Die Bindungsdynamik, die von Facebook ausgeht – seine „Viralität“ – und die Vision von Gemeinschaft, die in diesem Netzwerk realisiert ist.

Die „Viralität“ von Facebook bekommt Stan gleich zu Beginn am eigenen Leibe zu spüren. Seine Freunde halten es einfach nicht aus, dass er keinen Account hat. Stan glaubt seinen neuen Status zunächst ignorieren zu können. Doch langsam wird ihm klar, dass das gar nicht geht. Seine blosse Sichtbarkeit auf Facebook setzt ihn unter Zugzwang. Zuerst ist es sein Vater, der auf die Freundesliste will, dann ist es die Grossmutter, von der Vater jetzt findet, sie gehöre doch eigentlich auch dorthin (schliesslich ist sie im Krankenhaus). Dann macht ihm seine Freundin eine Szene, weil er als unbedachter Newbie seinen Beziehungsstatus auf „single“ belassen hat.  Schliesslich ist es sein Freund Kyle, der ihn unter Tränen darum bittet, seine virtuelle Farm zu begiessen. Kyle hat aus einem altruistischen Impuls heraus Kip Drordy, einen unbeliebten Mitschüler, auf seine Freundesliste gesetzt. Daraufhin ist seine Popularitäts-Aktie abgestürzt. Nun kümmert sich niemand mehr um seine virtuelle Farm etc. Die immer fordernder vorgetragenen Ansprüche der community wachsen Stan über den Kopf. Sein wiederkehrender Satz: „I don’t want to get sucked into that“ beschreibt ziemlich genau, was faktisch geschieht: Schritt für Schritt wird er in das Facebook-Universum hineingezogen.

Als er in einem Akt der Verzweiflung sein Profil löschen möchte, vollzieht sich diese Transformation nun auch realiter: mit Haut und Haar wird Stan in die Facebook-Welt hinübergeholt und erlebt nun – das ist die zweite geniale Idee der Southparker – die Beziehungen zwischen den User-Profilen als eine reale Gemeinschaft. Diese haben sich im „Café World“ versammelt, um an der Geburtstagsparty eines gewissen Stan Marsh teilzunehmen. Die Ankündigung der Party hat die „Beliebtheit“ von Stan innert Sekunden in die Höhe schnellen lassen, weshalb eine grosse Menge von Profilen sich chattend und pokend eingefunden haben. Während Stan auf der Suche nach seinem Profil ist und sich in gewöhnlicher Umgangssprache an die Profile wendet, reagieren diese mit den eingeschränkten Möglichkeiten, die Facebook den Nutzern bietet: „Grandma Marsh would like to be friends with Kevin Donohue“ – „Kevin Donohue accepts Grandma Marsh’s friendship“. Dieser Facebook-Speak gerät sehr schnell einmal an seine Grenzen. Wenn Stan fragt: „Has anybody seen my stupid profile?“ erhält er die Antwort: „Susan92 has pictures of Stan in a bunny costume.“ Und: „Derryll Johnson thinks the pictures are fantastic.“ Unvorhergesehenes, Differenzierungen oder gar Ambivalenz scheinen in diesem restringierten Code nicht vorgesehen. Und mehr als einmal erhält Stan als Rückmeldung: „Ignore“. Kaum ist jemals besser die Stereotypie und die expressive Armut dargestellt worden, die Facebook seinen Usern zur Inszenierung ihrer personality zur Verfügung stellt.

Southpark gelingt es, mit einigen wenigen Kunstgriffen, den Mythos Facebook zu demontieren. Es zeigt: Das einzig virale an Facebook ist der Mitmachzwang von Facebook selbst und dieser baut sich gerade über reale soziale Beziehungen (und reale soziale Sanktionen) auf. Stan bekommt das in mehrfacher Weise zu spüren. Das Freundschaftssystem von Facebook parasitiert also die realen sozialen Beziehungen – und macht sie doch zu etwas anderem: aus Freunden werden „friends“. Und „friends“ ist die Währung, in der auf die eigene Popularität spekuliert werden kann. Zum anderen: Wenn wir uns die Facebook-Community als eine reale Gemeinschaft vorzustellen versuchen – wir würden sie wohl nicht wollen. Ein profiliertes Leben ist kein richtiges Leben. Aber vielleicht löst sich der Mythos Facebook gerade von selbst auf. Ein deutliches Anzeichen dafür ist: Facebook hört gerade auf, cool zu sein. Die Macher von Southpark haben da ein gutes Gespür. Es ist also der richtige Zeitpunkt, um zu verstehen, was seine Attraktivität einmal ausgemacht haben könnte.

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